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Volker Berding hat von 1991 bis 1997 Angewandte Systemwissenschaft an der Universität Osnabrück studiert, wo er im Anschluss bis zum Jahr 2000 am Institut für Umweltsystemforschung (USF) promovierte. Nach einem beruflichen "Ausflug" in die Industrie als IT-Projektkoordinator beim Osnabrücker Karosseriehersteller Karmann, zog es ihn für ein Forschungsprojekt wieder zurück an das USF. Anschließend arbeitete er als persönlicher Referent des wissenschaftlichen Geschäftsführers am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, bevor er im November 2005 die Stelle des persönlichen Referenten des Generalsekretärs der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück angenommen hat.

Interview: Dr. Volker Berding

Wann haben Sie Systemwissenschaft studiert?

Ich habe im Wintersemester 91/92 mit dem Studium angefangen und Ende 1997 mein Diplom gemacht.

Welche Interessen (Leistungskurse?) hatten Sie während der Schulzeit? Wodurch sind Sie auf den Studiengang aufmerksam geworden? Welche Alternativen für Ihren beruflichen Werdegang hatten Sie in die engere Auswahl gezogen?

Ich hatte Mathe als LK und auch immer gerne etwas mit Computern gemacht. Ein Prüfungskurs war Philosophie. Beim Block Ethik hatten wir "Umweltschutz und Ethik" als Grundthema. In dem Zusammenhang habe ich über das Buch "Neuland des Denkens" von Frederik Vester ein Referat gehalten. Dadurch bin ich darauf gekommen, dass der richtige Gedanke ist, in Systemen zu denken, nicht in Schubladen. Ich hatte mir gewünscht, etwas Interdisziplinäres studieren zu können. Im Abi-Berufswahl-Magazin gab es dann einen kleinen Artikel mit der Überschrift "Mit System". Es fielen die Stichworte "interdisziplinär", "Kybernetik", "Mathe", "Informatik" und "in Systemen". Das ist genau mein Studiengang, dachte ich. Mein Interesse an der Umwelt war auch ein wichtiger Punkt, und so war das genau die richtige Kombination.

Was sollte ein zukünftiger Systemwissenschaftsstudent an Interessen und Fähigkeiten mitbringen, um das Studium erfolgreich zu absolvieren?

Mathematisch denken können ist eine Fähigkeit, die man als Systemwissenschaftsstudent mitbringen sollte, auch Spaß und Interesse an Informatik. Für das Studium sollte man Interesse an Umweltthemen und an politischen Themen mitbringen, weil es schon ein Studiengang mit gesellschaftlicher Stoßrichtung ist. Man sollte im Team arbeiten können, da man als Einzelkämpfer scheitern wird. Gerade am Anfang, wenn man in den ersten Semestern die Übungsaufgaben gemeinsam bearbeiten muss, kann man es nicht schaffen, wenn man nur für sich arbeitet. Außerdem macht es viel weniger Spaß. Und eine große Frustrationstoleranz sollte man mitbringen, da vor allem die Mathematik zu Beginn für viele fast unbezwingbar erscheint. Im Grundstudium muss man lernen, mit der Erfahrung klar zu kommen, Misserfolge einzufahren. Man sollte damit leben können, Dinge so gerade eben zu schaffen und dann durchzuhalten, weil man am Ende dafür belohnt wird. Das Hauptstudium macht dann richtig Spaß, weil man gut in dem ist, was man macht.

Welche Ihrer Erwartungen hat der Studiengang erfüllt, welche nicht?

Der Beginn des Studiums war in mehrerlei Hinsicht eine Art Kulturschock. Erst einmal fiel der Name Frederik Vester fast gar nicht. Es war vielmehr die Rede von Wiener (Norbert Wiener, Begründer der Kybernetik (Anmerkung der Autoren)) und Bertallanfy (Ludwig von Bertallanfy, Systemlehre (Anmerkung der Autoren)) und dem Weltmodell der Zecke. Das hatte für mich zunächst nicht mit der Systemwissenschaft zu tun, die ich mir vorgestellt hatte. Aber andererseits war es dann trotzdem so interessant, dass ich dabei geblieben bin. Vor allem die Mathematik war massiver als erwartet. Schulmathematik ist einfach etwas ganz Anderes. Das Erlernen und Verinnerlichen der mathematisch abstrakten Denkweise ist zu Beginn das Wichtigste.

Wo arbeiten Sie zur Zeit/Wo haben Sie schon gearbeitet? Ist das ein typischer Einsatzort für Systemwissenschaftler?

Nach dem Studium war ich zunächst Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt am USF (Institut für Umweltsystemforschung) und habe dabei promoviert. Im März 2000 endete mein Vertrag. Ich habe drei oder vier Bewerbungen geschrieben und dann bei Karmann (Osnabrücker Karosseriehersteller (Anmerkung der Autoren)) als IT-Projektkoordinator in einem Projekt zum Produktdatenmanagement angefangen. Ich fühlte mich von der Stellenbeschreibung stark angesprochen, weil es sich um ein fachbereichsübergreifendes Projekt handelte, bei dem es drauf ankommen sollte, zwischen den einzelnen Unternehmensteilen zu vernetzen. Nach gut zwei Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich mich auf Dauer in der Automobilindustrie nicht wohlfühle. Ich wollte wieder zurück in den Umweltbereich. Dann gab es am USF wieder eine freie, befristete Mitarbeiterstelle. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, auch in der Lehre zu arbeiten. Als der Vertrag im März 2005 auslief habe ich mich sehr breit beworben: auf Forschungsstellen, als wissenschaftlicher Assistent, im Bereich der Risikokommunikation. Insgesamt habe ich knapp zehn Bewerbungen geschrieben und bin zu drei Vorstellungsgesprächen eingeladen worden. Am UFZ (Helmholtz Zentrum für Umweltforschung) in Leipzig habe ich dann im Mai 2005 als persönlicher Referent des wissenschaftlichen Geschäftsführers angefangen. Ein spannendes Umfeld, weil das UFZ schon lange Beziehungen zur Systemwissenschaft hat. In verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen gibt es etliche Systemwissenschafter. Durch Zufall bin ich dann auf die Stelle bei der DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt: fördert innovative Projekte im Umweltschutz (Anmerkung der Autoren)) hier in Osnabrück als persönlicher Referent des Generalsekretärs gestoßen. Seit November 2005 bin ich also hier.

Welche Berufsvorstellungen hatten Sie zu Beginn Ihres Studiums? Inwiefern stimmen diese mit Ihrer jetzigen Tätigkeit überein? Wie hat der Studiengang diese Vorstellungen bestärkt/verändert?

Zu Beginn des Studiums wusste ich noch gar nicht, worauf das hinauslaufen würde, dachte aber, dass es etwas Spannendes sein würde. Als ich anfing, gab es noch keine fertigen Systemwissenschaftler, die ich hätte fragen können. Von daher war das ein Schuss ins Blaue, eine gewisse Unvoreingenommenheit und Hoffnungsfreude, dass das schon irgendwie hinhauen würde. Ich dachte, dass sich bestimmt in der Forschung oder im Wirtschaftsbereich etwas ergibt, wo ich dann mit Umwelt und Computern zu tun habe. Aber die berufliche Perspektive spielte für mich eigentlich keine Rolle. Ich wollte das studieren, was mir wichtig war, was mir Spaß machen würde und wofür ich geeignet bin.

Welche Aufgaben hält ein typischer Arbeitstag für Sie bereit?

Ich habe grundsätzlich immer mit Umweltthemen in allen Facetten zu tun, weil die DBU in den Bereichen Umwelttechnik, Umweltforschung, Naturschutz, Umweltbildung und Umweltkommunikation fördert. Neben administrativen Dingen wie Terminorganisation, Vorbereitung von Sitzungen, Verfassen von Protokollen, dem Bearbeiten der Post usw. erstelle ich Ausarbeitungen zu verschiedensten Themen, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Klimawandel oder nachwachsende Rohstoffe. Ich suche dann Literatur, recherchiere im Internet und erstelle einen Redetext. Dabei arbeite ich mich in neue Themen ein, was mir sehr viel Spaß macht. Heute hält der Generalsekretär passend zum aktuellen IPCC-Bericht (Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe über Klimaänderungen, englisch "Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)", auch als "Weltklimarat" bezeichnet (Anmerkung der Autoren)) einen Vortrag zum Thema "Klimawandel und Umweltschutz". Dazu habe ich also einen Text vorbereitet, die neuen Informationen eingearbeitet und das Thema aus verschiedenen Facetten beleuchtet. Dazu habe ich eine PowerPoint-Präsentation gebastelt mit entsprechenden Grafiken, die dann dazu ablaufen können. Hierbei fühle ich mich als Systemwissenschaftler sehr wohl, weil ich so den Bezug zu allen möglichen Umweltthemen habe und gleichzeitig aus einem großen Thema die wichtigen Elemente heraussuchen, vernetzen und in einen neuen Zusammenhang bringen muss. Die Verknüpfung zur Politik finde ich auch sehr interessant. Die DBU ist zwar eine unabhängige privatrechtliche Stiftung ist, aber 1990 durch Gelder des Bundes entstanden. Das Kuratorium wird von der Bundesregierung eingesetzt und aus besteht aus Politikern fast aller im Bundestag vertretenen Parteien und Vertretern aus Forschung und Wirtschaft. Dadurch stehen wir immer im Bezug zur Bundespolitik. Obwohl die DBU parteipolitisch neutral ist und wir auch keine Bundeseinrichtung sind, bekommen wir die politischen Entwicklungen vor allem im Umweltbereich hautnah mit. Das ist auch für einen Systemwissenschaftler interessant, weil ich denke, dass Systemwissenschaftler im Schnitt politisch stärker interessiert sind als viele andere Naturwissenschaftler.

Welchen Vorteil in der Bearbeitung dieser Aufgaben haben Sie als Systemwissenschaftler gegenüber Kollegen aus anderen Fachrichtungen?

In meiner aktuellen Position gibt es keine mathematischen Herausforderungen, ich modelliere nicht, ich programmiere nicht. Aber ich habe im Studium gelernt, interdisziplinär zu denken, den Überblick zu haben, Generalist und in vielen verschiedenen Themen zu Hause zu sein. Systemwissenschaftler lernen, schnell Zusammenhänge herzustellen. Sie lernen, nicht der Fachspezialist zu sein, sondern jemanden zu kennen, der der Fachspezialist ist, hieraus das Wichtige zu ziehen und zu verwenden. Mit dieser Fähigkeit kann ich hier sehr viel anfangen. Bei Karmann spielte die Informatik eine wichtigere Rolle. Hier war auch ein tieferes Wissen beispielsweise in Datenbanken, Programmierung usw. wichtig. Bei Bewerbungen kann man sich darum, je nach Bedarf, entweder als Generalist darstellen oder beispielsweise als Informatiker im Umweltbereich. Man hat als Systemwissenschaftler die Chance, durchaus fundiert in sehr vielen Bereichen etwas machen zu können.

Wie erklären Sie Geschäftspartnern/Kollegen kurz und prägnant, was ein Systemwissenschaftsstudium/einen Systemwissenschaftler ausmacht?

Mir ist es immer wichtig, hervorzuheben, dass Angewandte Systemwissenschaft im Fachbereich Mathematik/Informatik angesiedelt ist, um der Vorstellung entgegen zu wirken, dass es sich um einen sozialwissenschaftlichen oder politikwissenschaftlichen Studiengang handelt. Die Angewandte Systemwissenschaft ist interdisziplinär ausgerichtet und beschäftigt sich vorrangig mit der Modellierung von Umweltsystemen.