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Sabine Dormann hat nach ihrem Abitur in Wuppertal von 1988 bis 1990 eine Banklehre bei der Dresdner Bank AG in Düsseldorf absolviert.

Im Anschluss daran studierte sie an der Universität Osnabrück Angewandte Systemwissenschaft, wo sie schließlich - nach einem Jahr Auslandsaufenthalt an der University of Alabama in Birmingham, USA - auch promovierte. Im Anschluss daran beschäftigte sie sich als Post-Doc an der Universität Bielefeld mit der Simulation von Tumorbildung durch zelluläre Automaten.

Seit 2002 arbeitet sie als Projektleiterin bei der Deutschen Bahn AG in Köln.

Interview: Dr. Sabine Dormann

Wann haben Sie Systemwissenschaft studiert?

Ich habe nach meiner Banklehre, also ab 1990, Systemwissenschaft studiert und 1995 dann mein Diplom gemacht. Damit war ich die erste Frau und überhaupt erst die zweite Absolventin des Studiengangs. Parallel dazu habe ich bis zum Vordiplom Mathe studiert, da mich dynamische Systeme und angewandte Mathematik sehr interessiert haben.

Welche Interessen (Leistungskurse?) hatten Sie während der Schulzeit?

Das ist jetzt ein ganz schlechtes Beispiel, weil ich nach der Schule eigentlich gar nicht studieren wollte. Meine Schwester hat studiert, Mathematik. Sie hat mich dann mal mit zur Uni genommen. Aber das war eher abschreckend, weil ich da überhaupt nichts verstanden habe. Und so habe ich mich entschlossen, erst einmal eine Banklehre zu machen. Während meiner Banklehre ist mir dann klar geworden, dass das doch nicht so mein Ding ist und dass ich mich eben auch für Umweltthemen interessiere. Da der Studiengang (Angewandte Systemwissenschaft (Anmerkung der Autoren)) Umwelt und Mathe in der Modellierung verbindet, habe ich mich für dieses Studium entschieden. Als Leistungskurse hatte ich – um auf die Frage noch zu antworten – Mathe und Deutsc

Wodurch sind Sie auf den Studiengang aufmerksam geworden?

Ich habe einen Artikel im Handelsblatt gelesen, dass es da einen neuen Studiengang in Osnabrück gibt (Angewandte Systemwissenschaft gibt es seit dem Wintersemester 1989/1990 (Anmerkung des Autoren)), in dem es um Umweltfragen geht, Zusammenhänge analysiert und dargestellt werden. Und um eben diese oft komplexen Zusammenhänge begreifen zu können, bediene man sich der Mathematik. Das waren genau die Punkte, die mich interessiert haben. Von Osnabrück hatte ich bis dahin noch nichts gehört und eigentlich gehofft, dass es südlicher als Wuppertal liegt. Naja, es liegt ja dann doch deutlich weiter im Norden.

Was hat Ihnen während des Studiums Schwierigkeiten bereitet? Wie haben Sie sie gelöst?

Ich wollte eigentlich Biologie als Schwerpunkt (Anwendungsfach (Anmerkung der Autoren)) nehmen, habe das dann aber nicht gemacht, weil mir das am Anfang alles zu chaotisch erschien. Ich bin dann zur BWL gewechselt, weil ich ja die Banklehre schon als Hintergrund hatte, und ich mir dachte, dass das ganz gut passen könnte. Eine weitere Schwierigkeit war für mich, dass ich im Hauptstudium zu wenig Orientierung hatte. Am Institut (Das Institut für Umweltsystemforschung ist mit dem Studiengang eng verbunden, da die Lehrenden hier gleichzeitig in der Forschung beschäftigt sind (Anmerkung der Autoren)) bezogen sich die Forschungsthemen damals noch hauptsächlich auf die Grundwassermodellierung. Der Studiengang war eben noch sehr neu, so dass die Wahlmöglichkeiten sehr eingeschränkt waren. Ich habe meine Diplomarbeit schließlich in der BWL über ein „bimodales Transportsystem“ geschrieben. Da ging es darum, ob sich ein Sattelaufleger, der wahlweise für den Transport mit dem LKW oder der Bahn eingesetzt werden kann, für den Spediteur rentiert und ob sich dadurch ein positiver Umwelteffekt ergibt.

Was waren Ihrer Ansicht nach Vorteile/Nachteile des Studiengangs im Vergleich zu anderen Studienangeboten?

Wenn man einmal das Studium angefangen hat, dann gewöhnt man sich sehr schnell ein, auch an das Wesen des Studierens. Das hat mir dann schon sehr gut gefallen. Im Endeffekt ist halt irgendwo immer noch der Rückhalt der Mathematik in der ganzen Sache dabei, so dass ich es einfach sehr spannend fand, Ideen aus den verschiedenen Bereichen zusammen zu bringen. Insbesondere wurden bis dahin in der Betriebswirtschaftslehre immer sehr statische Modelle angewendet, in der klassischen Betriebswirtschaftslehre ist das auch immer noch so, während in der Biologie dynamische Modelle genutzt werden. So langsam haben dann die Betriebswirtschaftler auch angefangen, ihre Modelle zu dynamisieren. Das fand ich sehr spannend. Oder überhaupt: Dass Ideen aus dem einen Bereich in den anderen Bereich übertragen werden, hat meiner Meinung nach das Wesen des Studiengangs ausgemacht. Der Vorteil des Studiums ist dabei, dass man lernt, Zusammenhänge zu suchen. Es geht gar nicht so sehr darum, dass man das hinterher modellieren oder in Formeln packen kann, sondern dass man in der Lage ist zu abstrahieren, zu strukturieren und sich systematisch in etwas einzuarbeiten. Das ist wie in anderen Studiengängen, z.B. in der Mathematik, auch so: Man lernt eben nicht das „doing“, also die konkrete Arbeit, die man dann macht, aber die Herangehensweise verinnerlicht man. Das würde ich schon als großen Vorteil gegenüber einem Studenten einer anderen Studienrichtung sehen. Wenn ich mit anderen Leuten aus anderen Fachgebieten zusammenarbeite, merke ich schon, dass ich auf dem Gebiet da Vorteile habe.

Wo arbeiten Sie zur Zeit/Wo haben Sie schon gearbeitet?

Nach meinem Diplom wollte ich gerne ins Ausland, eigentlich in die Schweiz. Aber mein Matheprof hat mir gesagt: "Was wollen Sie denn in der Schweiz? Gehen Sie doch lieber in die USA." Und so bin ich an der University of Alabama in Birmingham gelandet. Dort hatte ich am Fachbereich Mathe ein sogenanntes "teaching assistantship", so dass ich den Auslandsaufenthalt auch finanzieren konnte. Da ich in der Forschung bleiben wollte, wollte ich auch promovieren, musste dafür aber in den USA ein "qualifying exam" ablegen. Tatsächlich wurde mir dann aber eine Promotionsstelle zu zellulären Automaten in der Systemwissenschaft angeboten, die ich schließlich auch angenommen habe. Aus meinem "qualifying exam" habe ich vorher noch durch zwei zusätzliche Prüfungen meinen Master of Science gemacht. Promoviert habe ich dann von 1996 bis 2000. Anschließend bin ich als Post-Doc an die Universität Bielefeld gegangen. Dort habe ich in einem Graduiertenkolleg zu "Strukturbildungsprozessen" gearbeitet. Konkret habe ich mich da mit der Simulation von Tumorbildung durch zelluläre Automaten beschäftigt. Während dieser Zeit in der Forschung wurde mir schließlich klar, dass ich nicht mein Leben lang auf befristeten Stellen von einer Uni zur nächsten ziehen wollte. Und so habe ich der Hochschule den Rücken gekehrt und bin seit 2002 bei der Deutschen Bahn AG beschäftigt.

Welche Berufsvorstellungen hatten Sie zu Beginn Ihres Studiums? Inwiefern stimmen diese mit Ihrer jetzigen Tätigkeit überein? Wie hat der Studiengang diese Vorstellungen bestärkt/verändert?

Am Anfang wollte ich in der Forschung bleiben, weil mich Forschung und Lehre zusammen interessiert haben. Ich habe auch immer gerne den Aspekt der Lehre gesehen. Jetzt bei der Bahn habe ich das Glück, ein Thema und Aufgabengebiet bearbeiten zu dürfen, wo ich sagen würde, dass es sehr systemwissenschaftlich ist, weil es um Modellierung des Fahrplans geht und wo ich das, was ich im Studium gelernt habe, zumindest die Denkweise, einbringen kann. Ich verwende jetzt also nicht unbedingt die gelernten Methoden, weil das Modell selber von anderen Leuten erstellt wird. Dafür hat man im normalen Berufsleben keine Zeit, das ist schon eher wieder Wissenschaft. Aber um das Ganze zu verstehen und um die Arbeiten zu lenken und zu integrieren, ist es schon sehr hilfreich, den Modellierungsgedanken zu kennen, zu wissen, was Stabilität ist, zu wissen, wie Wirkungsbeziehungen zusammenhängen. Das ist schon Glück, dass das jetzt so zusammenpasst.

Wie sind Sie auf Ihre jetzige Arbeitsstelle gestoßen? Wie verlief die Arbeitssuche (Verhältnis Bewerbungen/Vorstellungsgespräche, Zeitraum, Erfolgsaussichten)?

Ich habe mich zunächst bei der Stiftung Warentest beworben, wurde aber mit der Begründung "Überqualifikation" abgelehnt. Dann habe ich mich auf einer Unicum Absolventenmesse umgesehen und mit verschiedenen Unternehmen erst einmal gesprochen, darunter auch Lufthansa und eben die Bahn. Dabei kann ich auch sagen, dass eine Promotion beim Berufseinstieg nicht unbedingt förderlich ist, wenn man nicht in der Forschung bleiben will und jünger ist man ohne Promotion ja auch. Jedenfalls habe ich mich bei der Deutschen Bahn AG beworben, einerseits für das Gebiet "Preismanagement" und andererseits für "IT-Strategie". Nach Vorstellungsgespräch und Assessment-Center wurde ich schließlich in einem Trainee-Programm im Bereich "IT-Strategie" eingestellt. Dadurch hatte ich gleich eine stärkere Förderung als ein Direkteinsteiger, weil dieses Trainee-Programm quasi eine Schule für den Führungsnachwuchs ist.

Welche Aufgaben hält ein typischer Arbeitstag für Sie bereit? Welchen Vorteil in der Bearbeitung dieser Aufgaben haben Sie als Systemwissenschaftler gegenüber Kollegen aus anderen Fachrichtungen?

Sehr schwer zu sagen. Ich arbeite ja in Teilzeit und bin dadurch nur zwei Tage anwesend. Insofern sieht mein typischer Arbeitstag so aus: Ich komme um halb acht an, ich gehe um fünf, und zwischendurch habe ich eigentlich nur Besprechungen oder muss mir überlegen, was ich als nächstes regeln muss. Ich bin gerade Projektleiterin. Da muss ich einerseits sehr viel Struktur ins Projekt bringen und andererseits kontrollieren: „Was ist passiert? Ist das gut?“, die Richtung vorgeben. Ich bin recht selten in Ruhe vor meinem Computer, wenn ja, dann genieße ich das, aber oft muss ich irgendwelche Dinge organisieren, Termine machen, klären, mit meinem Projektteam diskutieren, Aufgaben verteilen und selber machen – das ist ganz unterschiedlich. Die Aufgaben sind immer sehr abwechslungsreich, es gibt viele offene Forschungsthemen, gerade im Bereich Marketing und Angebotsplanung. Es besteht reichlich Verbesserungsbedarf.

Wie erklären Sie Geschäftspartnern/Kollegen kurz und prägnant, was ein Systemwissenschaftsstudium/einen Systemwissenschaftler ausmacht?

Ich versuche, das meist an Beispielen aus deren Arbeitsumfeld deutlich zu machen und erkläre, dass man als Systemwissenschaftler besonders gut Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Bereichen herstellen kann, dass man interdisziplinär denkt, dass man also in der Lage ist, ein Problem nicht nur aus seiner Perspektive zu sehen, sondern sich auch in andere Sichtweisen gut hineinversetzen kann. Dadurch kann man sich auch auf die Sprache gut einlassen, die Kollegen aus ganz unterschiedlichen Bereichen sprechen. Das ist ja auch gerade das, was man bei der Systemwissenschaft lernt, dass es möglich ist, dass ein Biologe und ein BWLer oder VWLer miteinander reden. Diese Kompetenzen würde ich in den Vordergrund stellen.