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INSTITUT FÜR UMWELTSYSTEMFORSCHUNG


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12. Systemwissenschaftliches Kolloquium

Wintersemester 2005/06

Barbarastr. 12, Raum 66/E33

 

Mittwoch, 19.10.2005
Prof. Dr. Dirk Helbing

Dynamics of Production, Supply and Traffic Networks: From the Slower-is-Faster Effect to Signal Control and Business Cycles

Network theory is rapidly changing our understanding of complex systems, but the relevance of topological features for the dynamic behavior of production systems, information networks, or cascade failures of power grids remains to be explored. Based on a simple model of supply networks, we offer an interpretation of instabilities and oscillations observed in biological, ecological, economic, and engineering systems.
We find that most supply networks display damped oscillations, even when their units - and linear chains of these units - behave in a non-oscillatory way. Moreover, networks of damped oscillators tend to produce growing oscillations. This surprising behavior offers, for example, a new interpretation of business cycles and of oscillating processes. The network structure of material flows itself turns out to be a source of instability, and cyclical variations are an inherent feature of decentralized adjustments.
The stability and dynamic behavior of supply networks is investigated for different topologies, including sequential supply chains, "supply circles", "supply ladders", and "supply hierarchies". The empirically observed bullwhip effect in supply chains is explained as a form of convective instability based on resonance effects and compared to stop-and-go traffic. An application of this theory to the optimization of production networks has large optimization potentials.
We also present a queuing network model for the simulation of urban traffic networks with street sections of different lengths and capacities. Based on our autonomous, decentralized control principle, green waves emerge through synchronization of neighboring traffic lights. Our new adaptive signal control strategy is expected to considerably improve throughputs and travel times, using self-organization principles based on local interactions between vehicles and traffic lights. Similar adaptive control principles can be applied to other dynamic queueing networks such as production systems.

 

Donnerstag, 03.11.2005
Prof. Dr. Hans Markowitsch, Universität Bielefeld

Gedächtnis als Informationsverarbeitung über die Zeit: Das menschliche Gehirn als komplexes Interface

Informationsverarbeitung in lebenden Systemen basiert auf Nervenzellaktivität. Die Neurowissenschaften unterteilen Gedächtnis gegenwärtig in eine Reihe von Systemen, von denen die einfacheren weitgehend automatisiert, unbewusst und an Routinen orientiert sind. Hierzu zählen das ‚prozedurale’ und das ‚Priming’-Gedächtnis. Prozedurales Gedächtnis bezieht sich auf mechanische, auf die Motorik bezogene Fertigkeiten wie Fahrrad fahren, Klavierspielen, oder Schwimmen. Priming bedeutet eine höhere Wiedererkennwahrscheinlichkeit für zuvor unbewusst wahrgenommenes Material. Die anderen Gedächtnissysteme sind an Bewusstsein und Selbstreflektion gebunden, wobei das episodisch(-autobiographische) nur im geistig gesunden menschlichen Individuum, nicht aber im Tierreich existiert. Dieses erlaubt eine mentale Zeitreise und eine emotionale Bewertung des Erinnerten. Es wird deswegen definiert als die Schnittmenge von subjektiver Zeit, autonoetischem Bewusstsein und dem sich erfahrenden Selbst. Dieses Gedächtnissystem bildet den Klebstoff, der zeitlich unterschiedliche Episoden verbindet und ein kohärentes Bild der eigenen Person ermöglicht.

 

10.11.2005
Prof. Dr. Joachim Hertzberg, Universität Osnabrück

Auf dem Weg zu wissensbasierten Robotern

Roboter sind aus der industriellen Produktion nicht mehr wegzudenken. Sie sind präzise, zuverlässig, leistungsfähig -- ihr Einsatz "rechnet sich" allenthalben. Was also gibt es zu Robotern noch zu erforschen? Industrieroboter laufen überwiegend in "offener Regelung": Sie setzen voraus, dass ihre Umgebung so zu sein hat wie einprogrammiert. Sie sind somit mechanischen Uhrwerken eher vergleichbar als den Robotern aus Science-Fiction-Filmen. Die können mit ihrer Umgebung interagieren, auf Unvorhergesehenes reagieren und motorisch wie rational gleichermaßen anspruchsvoll handeln. Eines der wissenschaftlichen Schlüsselprobleme auf dem Weg zu solchen Leistungen besteht darin, dass Roboter ihre Umgebung wahrnehmen und interpretieren können. Sie brauchen also Wissen über ihre Umgebung, das sie laufend selbständig aktualisieren, während sie agieren. Maschinen, die solche Fähigkeiten auch nur im Ansatz hätten, würden völlig neue Möglichkeiten der Automatisierung eröffnen. Der Vortrag skizziert aus Sicht von Forschung und von ersten Produkten den Entwicklungsstand der wissensbasierten Roboter und die Perspektiven des Themas für Wissenschaft und Anwendung.

 

17.11.2005
Prof. Dr. Heinz-Christian Fründ, Fachhochschule Osnabrück

Kupfer im Boden – ökotoxikologische und bodenökologische Beurteilung und Bewertung nach dem BundesBodenschutzgesetz

Kupfer ist ein essenzielles Schwermetall, das bereits bei mäßig überhöhten Konzentrationen toxische Effekte auf Pflanzen und Bodenorganismen hat. Die Spanne zwischen essenzieller und toxischer Dosis ist bei Cu für viele Organismen gering. Für Menschen besteht jedoch nur eine relativ niedrige Toxizität. Mit der Verabschiedung der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV) wurde die vorher strenge Bewertung von Cu in vielen Bewertungslisten für Bodenkontaminationen außer Kraft gesetzt. Dies erklärt sich durch die strikte Eingrenzung der Gefahrenbetrachtung in der BBodSchV auf das Schutzgut Mensch (Gesundheit), wobei ökotoxikologische Aspekte nicht berücksichtigt werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Cu durch seine ökotoxikologischen Effekte nicht doch zu schädlichen Bodenveränderungen im Sinne des BBodSchG führt und welche Maßstäbe dann für die Bewertung von Cu im Boden abzuleiten sind. Es wird über Untersuchungen an Standorten um Osnabrück mit hohen bis sehr hohen Überschreitungen der Vorsorgewerte gemäß BBodSchV für Kupfer im Boden berichtet. Mit den Böden wurden ökotoxikologische Tests und Untersuchungen zu bodenökologischen Funktionen durchgeführt. Dabei zeigten sich ökotoxische Effekte und Systemveränderungen, deren Bedeutung für die Schadensbewertung diskutiert werden soll.

 

08.12.2005
Prof. Dr. Michael Kleyer, Universität Oldenburg

Ökologische und sozioökonomische Beurteilung von Management-Systemen für Offenlandschaften – ein integriertes Landschaftsmodell

Es wird ein ein integriertes Landschaftsmodell für die ökologische und ökonomische Bewertung alternativer Managementmaßnahmen zur Offenhaltung von Trockenstandorten vorgestellt. Die Dynamik der Landschaft wird als Patchdynamik modelliert, in der Managementszenarien die räumliche und zeitliche Skala von Störungsereignissen durch Fräsen oder Mahd vorgeben. Deren Einfluss auf die abiotischen Verhältnisse sowie das entstehende raumzeitliche Mosaik der Habitatqualität für Pflanzen und Tiere auf den gepflegten Flächen werden in dem integrierten Landschaftsmodell analysiert und zu naturschutzfachlichen Bewertungskriterien aggregiert. Für 52 Pflanzen- und fünf Insektenarten wird die Reaktion der Arten auf die verschiedenen Störungsregime unter Berücksichtigung der abiotischen Verhältnisse und möglicher Wechselwirkungen räumlich explizit durch Habitatmodelle vorhergesagt. Die je Szenario anfallenden, in einem ökonomischem Modul berechneten Kosten bilden gemeinsam mit den entstehenden Mustern der Habitatqualität eine quantitative Grundlage für die integrierte Bewertung der Managementregime. Es zeigt sich, dass verschiedene Fräsregime eine kostengünstige Alternative zur jährlichen Mahd darstellen können, die geeignet sind, die Artenzusammensetzung der untersuchten Trockenrasen in den Hassbergen (Unterfranken, Süddeutschland) zu erhalten und die Verbuschung zurückzudrängen.

 

15.12.2005
Dr. Valentina Krysanova, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Implications of complexity and uncertainty for integrated modeling and impact assessment in river basins

The need for powerful validation techniques for distributed hydrological and ecohydrological models has often been pointed out. The validation has to be multi-scale, multi-site and multi-criteria, if the model has to be further applied at the regional scale and/or for global change impact assessment. While the primary idea of distributed hydrological modelling is to reproduce water fluxes in subbasins and hydrotopes along with river discharge, the models are often validated using only observed river discharge at the basin outlet, and multi-scale validation is rather exceptional. Though river discharge is an integral attribute of hydrological processes in the basin, its correct representation by the model does not guarantee adequacy in spatial and temporal dynamics of all water-related components in the basin. The study was performed using the ecohydrological semi-distributed model SWIM (Soil and Water Integrated Model). The model integrates hydrological processes, vegetation/crop growth, erosion and nutrient dynamics at the river basin scale, and was developed for climate and land use change impact assessment. The study area is the German part of the Elbe River basin.

 

12.01.2006
Dr. Timothy Moss, Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung

Zwischen Rhetorik und Realitäten: Institutionelle Anforderungen und Umsetzungsprobleme bei der Wiederherstellung von Überschwemmungsgebieten in England, Frankreich und Deutschland

The task of restoring floodplains, as a means of improving flood protection or providing other benefits, poses multi-dimensional challenges to policy-makers and project managers alike. Creating the necessary interaction between a river and its floodplains has far-reaching implications for existing forms of land and water use. Maintaining desirable river flow dynamics demands a catchment perspective to river regulation and cooperation between upstream and downstream users. Striking an optimal balance between the multiple services a floodplain can provide – to humans and the wider natural environment – requires agreement between many actor groups spanning a variety of policy fields. Furthermore, these actors operate according to spatial remits and time scales which only very rarely match those of a floodplain ecosystem. The principal findings of an EU-funded research project covering institutional aspects of flood plain restoration in Germany, France and England and Wales will be presented.

 

19.01.2006
Prof. Dr. Uwe Schimank, Dr. Thomas Kron, Fernuniversität Hagen

Soziologische Akteurmodelle und Agentenmodellierung

Sowohl bei sozialwissenschaftlichen Modellierungen als auch bei Computersimulationen stellt sich immer die Frage, in wieweit die Akteure/Agenten dem Handeln "realer Menschen" entsprechen - vor allem bezüglich der Definition der Situation und der Selektion der Handlung. Während die Soziologie auf eine Reihe von Akteurmodelle zurückgreifen kann, mit deren Hilfe das Handeln von Akteuren idealtypisch modelliert wird (z.B. homo oeconomicus, homo sociologicus etc.), werden Agenten oftmals je nach Szenario von den Programmierern ad hoc mit Eigenschaften ausgestaltet, die gerade "passen" - unter Absehung der soziologischen Akteurmodelle. In dem Vortrag wird gezeigt, wie man die soziologischen Akteurmodelle nutzen kann, um ein "soziologisch adäquates" und generalisierungsfähiges Agentenmodell zu bauen.

 

26.01.2006
Dr. Volker Grimm, Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle

007, oder die Lizenz zum Modellieren agentenbasierter komplexer Systeme

In individuenbasierten ökologischen Modellen werden individuelle Organismen als identifizierbare, autonome Einheiten beschrieben, d.h. Individuen können sich unterscheiden, und sie entscheiden selbst über ihr Verhalten. Derselbe Typ von Modellen wird auch in anderen Disziplinen verwendet, die sich mit komplexen Systemen beschäftigen, z.B. Soziologie, Ökonomie, Politikwissenschaften oder Geographie. Dort verwendet man als Oberbegriff für die autonomen Einheiten "Agenten", z.B. Einzelpersonen oder Institutionen. Aber warum macht man sich die Mühe, Individuen bzw. Agenten zu beschreiben? Der Grund ist adaptives Verhalten: Individuen tun nicht immer dasselbe, sondern sie entscheiden über ihr Verhalten in Abhängigkeit von ihrem eigenen Zustand und dem ihrer biotischen und abiotischen Umwelt. Für viele Fragestellungen wird dieses adaptive Verhalten für essentiell gehalten, insbesondere für die Erklärung emergenter Systemeigenschaften. Darunter versteht man Eigenschaften, die auf der Ebene der Individuen keine Bedeutung haben und die sich nicht durch bloße Addition individueller Eigenschaften erklären lassen, z.B. Stabilitätseigenschaften (Persistenz, Resilienz), sowie räumliche und zeitliche Muster. In meinem Vortrag werde ich Beispielmodelle aus Ökologie und anderen Disziplinen vorführen und auch auf die besonderen Herausforderungen des individuenbasierten Ansatzes hinweisen. Außerdem werde ich einen neuen konzeptionellen Rahmen für individuenbasierte Modellierung vorstellen.

 

01.02.2006, 18:15 Uhr
Jun.-Prof. Dr. Bernd Siebenhüner, Universität Oldenburg & Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

Soziales Lernen und Nachhaltigkeit. Konzepte und empirische Ergebnisse

Ausgehend von der Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten, die Herausforderungen der Nachhaltigkeit durch Regulierung oder Marktprozesse zu bewältigen, bekommt das Konzept des sozialen oder gesellschaftlichen Lernens eine besondere Bedeutung. So haben sich verschiedene Disziplinen mit der Frage beschäftigt, wie Gruppen, Organisationen und ganze Gesellschaften lernen, d.h. Wissen generieren und in Handlung umsetzen können, das zu bestimmten Problemlösungen führt. Im Vortrag werden einige dieser Konzepte skizziert, ein Forschungsdesign erläutert und empirische Ergebnisse v.a. aus dem GELENA-Projekt über Gesellschaftliches Lernen und Nachhaltigkeit präsentiert. Das Projekt wird vom BMBF gefördert und ist ein Kooperationsvorhaben der Universität Oldenburg und des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung.